Lost in Translation

Marc Matsumoto ist ein Koch und Food-Blogger aus Tokio. In diesem Text teilt er fünf Regeln mit uns, an die man sich halten sollte, um einen japanischen Koch nicht vor den Kopf zu stoßen.

Wenn Sie jemals in Japan waren (oder selbst, wenn das bislang noch nicht der Fall war), wissen Sie wahrscheinlich, wie höflich und ordentlich die Menschen hier sind. Japan ist ein Land, in dem die Menschen im Namen der Gastfreundlichkeit über sich hinauswachsen. Die meisten Restaurants verbiegen sich und machen sich bucklig und krumm nur um sicherzustellen, dass sie ihren Gäste ein angenehmes Essen ermöglichen können. Dennoch gibt es einige ungeschriebene Regeln, die man im Kopf haben sollte, um diesen peinlichen Lost in Translation-Moment zu vermeiden.

Erstens kommt hier also ein bisschen allgemeines Hintergrundwissen. In Japan gibt es eine alles übertrumpfende Regel, die jegliche soziale Interaktion bestimmt. Diese Regel wird uns von Kindesbeinen an in den Kopf gehämmert wird. Wer diese Regel bricht, sorgt dafür einen besonnen japanischen Koch in einen wütenden Türsteher zu verwandeln, der jeden Querulanten hochkant rauswirft.

Verursachen Sie keinen meiwaku (迷惑). Meiwaku lässt sich grob mit Unannehmlichkeiten oder Unbehagen übersetzen. In einem kleinen, übervollen Land ist die soziale Ordnung davon abhängig, dass sich jeder bemüht Unannehmlichkeiten oder Unbehagen für seine Mitbürger zu vermeiden. Irgendwie ist das eine japanische Version der Golden Regel. Die Sache ist, dass Verstöße gegen diese Regel, die Unannehmlichkeiten oder Unbehagen für japanische Bürger bedeuten, für Besucher häufig nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar sind. Daher kommen hier fünf Tipps (in wahlloser Reihenfolge), mit deren Einhaltung Sie dafür sorgen, dass Ihr Aufenthalt in Japan erfreulich wird und Sie das Ansehen der Küchenchefs nicht verspielen..
 

Lost in Translation
Lost in Translation

 

1.) Etikette der Stäbchen

Obwohl es trivial erscheinen mag, haben Stäbchen eine symbolische Signifikanz, die über die Funktion eines bloßen Essbestecks hinausgeht. Hier gibt es also ein paar Sachen, die man beachten sollte, um nicht den Zorn des Kochs oder der anderen Gäste auf sich zu ziehen.

Wenn Sie in Italien eine Gabel in ein auf einem Teller angehäuftes Pastagericht stecken, lässt Sie das vielleicht wie einen Rüpel aussehen, aber keiner der umsitzenden Gäste wird sich persönlich betroffen fühlen. In Japan werden hochkant steckende Stäbchen in einer Schüssel mit Reis (oder was auch immer sonst in der Schüssel ist) die Menschen um Sie herum definitiv aufbringen und den Koch dazu veranlassen, Sie umgehend zu tadeln. Denn hier in Japan werden Stäbchen auf Beerdigungen auf diese Weise in eine Schale mit Reis gesteckt. Räucherkerzen werden ebenfalls so aufrecht stehend auf Beerdigungen und Gedenkschreinen verbrannt. Die aufrecht steckenden Stäbchen sind also nicht nur respektlos, sondern auch eine Erinnerung an den Tod. Legen Sie Ihre Stäbchen also immer auf das dafür vorgesehene Bänkchen. Sollten Sie auf Ihrem Tisch keins finden, benutzen Sie eine Serviette oder das Einpackpapier der Stäbchen, um das Ende, mit dem Sie gegessen haben darauf abzulegen. Legen Sie die Stäbchen keinesfalls auf den Tisch, da das als unhygienisch betrachtet wird.

Gleichermaßen werden Stäbchen benutzt, um die Knochen eines Verstorbenen aus den eingeäscherten Resten zu sammeln. Diese Handlung wird zu zweit vollzogen, in dem beide Menschen ihr Paar Stäbchen nutzen, um die Knochen gemeinsam in eine Urne zu heben. Daher ist auch das Weiterreichen von Essen von dem einen Stäbchenpaar zum anderen ein No-Go. Wenn Sie Ihr Essen teilen möchten, legen Sie es auf einen Teller vor sich und reichen diesen dann weiter.
 

Marc Matsumoto
 

2.) Fotos machen

Ich habe mal Besucher in eine intime japanische Cocktailbar mit einer hinreißenden Theke aus Holz mitgenommen, die das Lokal mehr wie eine Sushi-Bar aussehen ließ, als einen Ort, an dem man sich abschießt. Unglücklicherweise habe ich vergessen, ihnen diese Regel zu erklären und als sie ihre Kameras ausgepackten, wurden wir nachdrücklich gebeten, zu gehen. Während einige exzentrische Köche im Westen es aus verschiedenen Gründen untersagen, in ihrem Restaurant Fotos zu machen, ist diese Praxis in Japan viel weiterverbreitet. Es gibt keine visuellen Hinweise darauf, dass Fotos verboten sind. Hier gilt allerdings die Regel, dass man keine Fotos schießen sollte, solange man nicht eine ausdrückliche Erlaubnis dafür bekommen hat.

Der Hauptgrund dafür ist, dass Japaner es nicht mögen, von Leuten fotografiert zu werden, die sie nicht kennen. Daher kann es für Unbehagen sorgen, wenn die Leute neben einem etwas fotografieren (und sei es auch nur das Essen). Ein weiterer Grund ist, dass Küchenchefs nicht beworben werden wollen, weil eine wachsende Gästezahl bedeutet, dass sie die bestehende Gästezahl nicht mehr mit der gleichen Hingabe bekochen können. Denken Sie dran, man hat es hier mir Künstlern und nicht Geschäftsleuten zu tun.

Selbst wenn der Küchenchef es Ihnen erlaubt Fotos zu machen, achten Sie auf die anderen Gäste in Ihrer Nähe und darauf, dass diese nicht vom Klicken der Kamera oder dem Blitz gestört werden. Und sorgen Sie definitiv dafür, dass Sie die anderen Menschen nicht auf dem Foto haben.
 

3.) Kommen Sie nicht zu spät

Es wirkt wie ein Selbstgänger, da sich kein Koch darüber freut, wenn seine Gäste 30 Minuten zu spät kommen. Der Unterschied ist, dass in den meisten westlichen Restaurants dieser Fauxpas im Moment des Zahlens vergeben sein wird. In einem formellen japanischen Restaurant ist es nicht unwahrscheinlich, dass Sie dort nie wieder einen Tisch reservieren können. Und noch schlimmer ist, dass auch die Person, die Ihnen bei der Reservierung geholfen hat, ebenfalls auf der schwarzen Liste landen kann.

Natürlich kann mal etwas dazwischenkommen – selbst in einem Land, das für die Pünktlichkeit seiner Züge bekannt ist. Daher rufen Sie einfach im Restaurant an und geben Bescheid, sobald es möglich ist.
 

Marc Matsumoto
 

4.) Wählerische Esser

Wenn Sie nicht bereit sind, alles zu essen, was Ihnen vorgesetzt wird, sollten Sie einen Bogen um Restaurants machen, die Omakase anbieten. Omakase (お任せ) bedeutet auf Japanisch „Ihre Wahl“ und kann sich auf ein Menü beziehen, bei dem der Küchenchef aussucht, was er an diesem Tag servieren möchte, und zwar basierend auf den Delikatessen der jeweiligen Saison. Die Botschaft dabei ist, dass man dem Koch zutraut, den eigenen Geschmack zu treffen. Lassen Sie Gerichte zurückgehen oder essen Sie die Gerichte schlicht nicht, vermitteln Sie dem Koch den Eindruck, dass er versagt hat.

Natürlich hat jeder seine Präferenzen und noch wichtiger Allergien. Daher ist es wichtig, dass Sie diese dem Restaurant bereits im Zuge der Reservierung mitteilen. Auf diese Weise kann man dort das Menü aufs bestmögliche um Ihre Restriktionen herumplanen.
 

Marc Matsumoto
 

5.) Seien Sie rücksichtsvoll

Japan bedeutet vor allem „Reinpassen“. Seien Sie also ein Chamäleon und Sie werden kaum Gefahr laufen, Probleme zu haben. Sind Sie in einer lauten Kneipe, entspannen Sie sich und machen ebenfalls ein bisschen Lärm. Sind Sie allerdings in einem traditionellen japanischen Restaurant, in dem der Küchenmeister seiner Arbeit in Stille nachgeht, wird ein ausgiebiger Kaffeeklatsch mit ihrem japanischen Zimmerkameraden aus alten Zeiten über eben diese, nur für böse Blicke sorgen und vielleicht sogar in einem Rausschmiss gipfeln.

Trotz alledem verstehen die meisten Japaner, dass Sie Touristen nicht mit den gleichen Maßstäben messen und Ihnen die gleichen Regeln vorgeben können, wir Ihren Landsmännern und -frauen. Daher halten Sie sich vor allem daran keinen meiwaku zu verursachen und Sie sollten keine Probleme bekommen.
 

Marc Matsumoto

Marc Matsumoto ist ein Koch und Food-Blogger aus Tokio.
 
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